Wie schafft man es, auch in einer individuellen Krisenzeit die Lebendigkeit nicht zu verlieren? Aus der Lähmung zu kommen, aus dem Gefühl der vielen ‚Losigkeiten‘ [der Hoffnungs-, Ziel-, Glücks-, Freud-, …. -losigkeit], das ist oft psychisch harte Arbeit für einen Menschen in einer Krise.
In unserer Präventionsarbeit, aber auch im therapeutischen Kontext, wenn eine Krise bereits im Vollzug ist, arbeite ich mit vier Kardinalhaltungen, die sich anlehnen an die von Cicero benannten Haupttugenden der Tapferkeit, Mäßigung, Klugheit und Gerechtigkeit.
Die Kardinalhaltungen lauten:
Zumutung. Diese Haltung zeigt ein Mensch, wenn es ihm trotz allem gelingt, mit seiner Wärme ein Feuer in den Herzen der Menschen um ihn herum anzuzünden. Und das in einer Krise? Was auf den ersten Blick paradox und unmöglich zu leisten anmutet, wird plausibel, wenn man für sich erkennt, dass es in einer massiven persönlichen Belastungssituation wichtig ist, dass die Energien des persönlichen Umfeldes entfesselt werden müssen, damit aktive Unterstützung vollzogen wird. Geht der Krisenbetroffene jedoch mit seiner Situation so um, dass sein Verhalten die Energien seines Umfeldes [z.B. durch Wehklagen, Selbstschuldzuweisung, Gejammer, …] entzieht, dann wird dieses eher eine Form passiver Unterstützung anbieten [Trost, ‚melde dich, wenn du etwas brauchst, …]. Was gilt es zu lernen: Zu signalisieren, dass trotz allem der unbedingte Wille gegeben ist, weiterzuleben, sich weiter zu entwickeln, weiter zu arbeiten, weiter zu lieben … das eigene Recht auf eine gelingendes Leben einzulösen. Und dieses Signal zu verbinden mit der Bitte an jeden Menschen im Umfeld, etwas Konkretes zu tun. Wir nennen diese Fähigkeit ‚emotional-soziale Expressivität‘, die jeder Mensch mit den ihm eigenen Persönlichkeitsmerkmalen entwickeln kann [präventiv natürlich leichter als mitten in einer Krise].
Deutlichkeit. Diese Haltung zeigt sich, wenn es einem Menschen in einer Krise gelingt, seinen Handlungen eine Einfachheit zu verleihen. Mit einer Krise verbinden viele Menschen sofort Gedanken an Zukunftsentwürfe, die in der Vergangenheit entstanden sind. Und sie äußern diese Gedanken mit ‚wie soll das nun weitergehen‘, ‚wir hatten uns vorgenommen‘, ‚dieses Ziel kann ich nun ja vergessen‘ … Was gilt es zu lernen: Sich zu erlauben, trotz aller Erwartungen im Innen und Außen die ganz kleinen Schritte zu gehen und dieses ‚Vor-Gehen‘ konsequent zu kommunizieren. Selbst den Prozess der Handlungen im Hier und Jetzt zu steuern, ist für die Überwindung der Krise unabdingbar. Damit die Selbststeuerung gelingt, braucht es eine Einfachheit im Handeln. Es sind nur die wichtigen und dringenden Dinge zu tun, die heute so gesteuert werden können, so dass sie auch heute als erledigt angesehen werden können. Wir nennen diese Fähigkeit ‚prägnant-aktive Expressivität‘. Wie stark diese Fähigkeit gegeben ist, lässt sich mit überschaubarem Aufwand herausfinden – präventiv natürlich leichter als mitten in einer Krise. Weiterlesen