Eigentlich ist Leben einfach – 2

So genetisch einzigartig der Bauplan, die ‚Software‘ jedes Menschen ist, so einzigartig ist auch das Reich seiner Werte. Bedenken wir dabei, dass wir im deutschen Sprachgebrauch derzeit gut 400 Begriffe finden, die wir in sinntheoretischer Anschauung als Wertebegriffe verstehen, dann ergeben sich daraus schier unendliche Kombinationen an Wertesystemen, die Menschen ausprägen können. Viele der individuellen Wertesysteme orientieren sich dabei an soziokulturellen Normen. Diese können durch die Ursprungsfamilie und-oder durch andere Systeme, in denen sich die Person bewegt und verhält, als ‚wertvoll‘ definiert worden sein – sich ihnen anzupassen oder sich ihnen entgegen zu positionieren, liegt in der Freiheit und Verantwortung jeder Person. Wer sein Verhalten an zu vielen Werten ausrichtet, die den Verhaltens- und damit Werteerwartungen des jeweiligen Systems zuwiderlaufen, wird extremer formulierte Feedbacks (zum Beispiel positiv: Held …, negativ: Nichtsnutz…) erhalten als die Menschen, die sich in einem Erwartungskorridor verhalten.

Nimmt die Komplexität eigener privater und beruflicher Aufgaben zu, entstehen mit ihnen eigene und fremde Verhaltenserwartungen, die – können sie anfangs vielleicht nur unzureichend erfüllt werden – zu Werteentwicklungsprozessen führen. Beispiel: Eine Person hat mehrere berufliche Stationen mit zunehmender Personalverantwortung hinter sich. Aus ihrer Begabung, sich mit anderen Menschen konstruktiv austauschen und sie gut unterstützen zu können, erwächst die Überlegung, mit einer Mediationsausbildung das bestehende Rollenrepertoire zu professionalisieren. Auf ihrem Lernprozess erkennt die Person den Stellenwert eines Mediatoren-Verhaltens im Kontext von Diskretion, Neutralität und Respekt. Sie erkennt, dass sie in früheren Rollen dem Wert Neutralität kaum gerecht werden musste, eher im Gegenteil wurde von ihr Positionierung und eigene Lösungsstärke erwartet. In ihren ersten Mediationsgesprächen fühlt es sich für die Person gut an, eine allparteiliche Vorgehensweise zu praktizieren, und mit der Zeit schätzt sie den Wert Neutralität für sich als sinnvolle Ergänzung ihres Wertesystems.

Wer sein Wertesystem aktiv entwickeln will, kann mit Blick auf das, was an zunehmender Komplexität in der nächsten Lebensphase zu erwarten ist, ein Szenario dafür erstellen, welchen neuen Werten wohl mehr Raum zur Entwicklung gegeben werden sollte. Hierbei können qualifizierte Gesprächspartner, die nicht nur im Kontext der Kompetenzentwicklung, sondern auch im Thema Werteentwicklung fundiert arbeiten, hilfreich unterstützen.